Einen guten Start in die Pilzsaison 2024!
Stress hat durchaus seine Daseinsberechtigung, denn Stressreaktionen sollten uns in konkreten Gefahrensituationen in die Lage versetzen möglichst schnell und automatisch viel Energie bereitzustellen, damit der Körper ohne Verzögerung auf eine Gefahr mit Kampf oder Flucht reagieren kann. Das geschieht unwillkürlich über das „unwillkürliche“ Nervensystem, das aus zwei Gegenspielern besteht: dem Sympathikus (sympathisches/aktivierendes Nervensystem) und dem Parasympathikus (parasympathisches/ die Regeneration und Erholung nach dem Kampf sicherstellendes Nervensystem)
Stress verändert den Stoffwechsel, das Immunsystem, das Wohlbefinden, die Gesundheit. Er findet nicht nur im Kopf statt, er betrifft den ganzen Körper und kann daher auch nur ganzheitlich behandelt werden. Bei chronischem Stress werden langfristig u.a. Stresshormone ausgeschüttet, die sich direkt auf das Immunsystem auswirken. Die Immunzellen können dadurch direkt die Fähigkeit, sich zu vermehren verlieren und somit Krankheitserreger schlechter bekämpfen. Die negativen Auswirkungen von Stress auf das Herz-Kreislauf-System werden immer wieder diskutiert. Für den Kopf und die Arbeitsorganisation gibt es verschiedene Ansätze zur Stressbewältigung , die wir hier nicht näher beleuchten werden.
Für die Behandlung des Körpers (und tlw. auch zur Entspannung des Geistes) und die dort durch Stress entstehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen gibt es ebenfalls verschiedene (Entspannungs-)Techniken, dazu gehören u.a. Yoga, autogenes Training, QiGong und die progressive Muskelrelaxation. Die Entspannung des Körpers wirkt sich wiederum positiv auf die Geisteshaltung und den Umgang des Körpers mit Stress aus. Besonders sinnvoll ist es natürlich, Entspannungstechniken schon präventiv zu erlernen und somit die negativen Auswirkungen von Stress von Anfang an so gering wie möglich zu halten.
Durch Entspannungstechniken können konkrete körperliche Reaktionen ausgelöst werden:
1) Positive Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System (Absinken der Pulsfrequenz, Absinken des Blutdrucks- vor allem bei erhöhtem Blutdruck)
2) Positive Auswirkungen auf das Immunsystem bei langfristiger Anwendung (Anzahl von Immunzellen, deren Teilungsaktivität und von Antikörpern)
3) Veränderungen der neuroendokrinen Funktionen
4) Auswirkung auf verschiedene Stoffwechselprozesse (z.B. Darmtätigkeit, Blutzucker, Blutgerinnung, Cholisterin)
5) Stabilisierung von Biorhythmen, z.B. Schlaf-Wach-Rhytmus
6) Verbesserung von Stressabwehr
7) Veränderung im System der Neurotransmitter (Botenstoffen, die u.a. bei Stress eine Rolle spielen)
8) Abbau von Angst und Wirkung bei chronischen Schmerzen (insbes. unterstützend bei Spannungskopfschmerz, Rückenschmerzen)
In vielen Fällen ist die PMR ein Teil eines interdisziplinären Gesamtbehandlungskonzeptes und wirkt in dem Kontext unterstützend – daher ist eine gute Abstimmung zwischen den verschiedenen Behandelnden sinnvoll um den Behandlungserfolg nicht zu gefährden.
Es gibt viele wichtige Einsatzmöglichkeiten von Entspannungstechniken im Allgemeinen und von Progressiver Muskelrelaxation (PMR) im Besonderen. Indikationen für den Einsatz können (nach Abstimmung mit den Ärztinnen und Ärzten vorab) z.B. sein: Allgemeinde Gesundheitsprophylaxe, einige Formen von Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, begleitend bei verschiedenen Schmerzformen (insbes. wenn diese auf Muskelverspannungen beruhen), allgemeine Spannungsgefühle und Nervosität, frei flottierende Ängste, Prüfungsangst, bestimmte Formen von Phobien (nach ausschluss organischer Ursachen), begleitend bei Stressulkus (akut im Rahmen einer Stressreaktion auftretender Schleimhautschaden des Magens oder Darms), sowie bei verschiedenen durch Stressreaktionen auftretenden Erkrankungen; ferner Bruxismus (Zähneknirschen). Bei Schmerzen ist zu beachten, dass ein zu kräftiges Anspannen der Muskeln zu Beginn der praktischen Anwendung der PMR zu Schmerzverstärkungen führen kann.
In vielen Fällen ist für Personen mit Fibromyalgie das autogene Training hilfreicher. Migränepatient*innen sollten die PMR nicht zu Beginn oder während eines Migräneanfalls eingesetzt werden – sie kann jedoch z.B. unterstützend bei der „Stressimmunisierung“ bzw. der Regulation des Schalf-Wach-Rhythmus wirken. In jedem Fall sollten Schmerzen und deren Ursachen im Vorfeld genau mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden. In einigen Situation könnte autogenes Training besser geeigent sein.
Bevor wir auf die Technik an sich eingehen, aber vorab noch eine weitere wichtige Information: Selbst Enspannungstechniken können Kontraindikationen haben. Die PMR sollte man ferner auch nicht bei Muskelkrämpfen, sowie bei Sehnen- und Muskelentzündungen wie Myositis, akutem Lumbago (Hexenschuss), akutes Muskelrheuma, akuten Arthritiden, dekompensiertem Hypertonus (nicht eingestelltrm/unkontrollierer Herzinsuffizienz = Herzschwäche) anwenden. Ebenfalls NICHT angewendet werden, sollte die PMR bei akuten Psychosen und Schizophrenie, weil sich die Übenden auf innere Prozesse konzentrieren. Dies könnte bei diesem Personenkreis dazu führen, dass sie das Erlebte wahnhaft interpretieren und sich die Symptomatik eher verstärkt als vermindert.
Bei chronischen Rückenschmerzen kann die PMR im Rahmen einer multimodalen Therapie einen festen Stellenwert haben- gleiches gilt bei rheumatoider Arthritis und Tumorschmerz.
Bei der Progressiven Muskelrelaxation handelt es sich um eine sog. evidenzbasierte Therapieform in der multimodalen und interdisziplinären Behandlung u.a. von Krebspatienten. Entsprechend wurden Leitlinien für die Anwendung erstellt – Informationen dazu finden Sie u.a. hier: Progressive Muskelrelaxation — Onkopedia (onkopedia-guidelines.info) und für Migränepatienten hier: 030-057l_S1_Therapie-der-Migraeneattacke-Prophylaxe-der-Migraene_2023-01.pdf (awmf.org)
Bruxismus (Zähneknirschen): Diagnostik und Behandlung des Bruxismus (S3) (dgzmk.de).
Viele Entspannungverfahren müssen erst über langfristige Übung (z.B. Yoga), erlernt werden. Sie erfordern zudem komplexe Bewegungsabfolgen, die gestresste „Kopfmenschen“ oftmals nur schwierig nachvollziehen, erlernen und selbständig ausüben können. Die Progressive Muskelrelaxation ist demgegenüber überschaubar. Sie richtet sich auf insgesamt 16 Muskelgruppen, deren Anspannung und Entspannung, sowie einige erlernbare Kurzübungen, die man in einem Kurs zusammen mit einem Therapeuten in ca. 10 Stunden gut erlernen und dann selbständig umsetzen kann. Das macht diese Entspannungstechnik so attraktiv – einfach, überall praktizierbar, schnell erlernt und selbständig angewandt – und obendrein noch evidenzbasiert (d.h. die Wirkung wurde in vielen Studien belegt). Besser geht es nicht! Und für diejenigen, die gern in der Natur üben gibt es auch die Möglichkeit dieses Verfahren in der Natur zu praktizieren.
Für diejenigen, die ein evidenzbasiertes Entspannungverfahren innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes erlernen möchten, um es dann zügig selbständig im Lebensalltag anwenden zu können, ist die PMR eine interessante Alternative zu anderen Entspannungsverfahren.